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storytelling:tagebuchauszuege_epilog

Kapitel "Epilog"

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aus der Sicht von Gerald Fletcher

(Werter Herr, bezugnehmend auf eure Anfrage übersende ich euch eine Abschriften aus den sogenannten Chroniken des Nordens. Nachfolgendes Pergament wird einem gewissen Gerald Fletcher zugeschrieben, allerdings liegen uns hier nur noch Abschriften vor. Es wird zusammen mit anderen Aufzeichnungen bereits seit langer Zeit in Winterfell verwahrt. Offenkundig handelt es sich um eine Zusammenfassung umstrittener Chroniken aus älterer Zeit. Die Chronisten unserer Tage sind sich – wie üblich – uneins, ob es ein meisterhaftes Werk der Fiktion ist oder aber doch ein authentischer Erlebnisbericht. Für ersteres spricht deutlich der teilweise doch märchenhaft anmutende Inhalt der Geschichte, insbesondere in den Teilen, die sich mit Magie und Wundern beschäftigt. Für letzteres spricht, dass Fletcher ein erstaunlich detailliertes Wissen über historisch belegte Personen und Orte aufweist. Ich hoffe, dass ich euch so ein wenig bei euren Bestrebungen behilfreich sein konnte.)

Ist es wirklich schon so lange her? Sind seit damals wirklich schon 30 Jahre ins Land gezogen? Es kommt mir vor, als wäre es gerade gestern gewesen, das vier Menschen, die vom Wesen nicht hätten unterschiedlicher sein konnten, das Schicksal der Welt in ihren Händen hielten. Ich sehe uns noch alle vor dem Altar, rieche die Luft in der zerfallenen Tempelanlage, höre das unheilvolle Pochen der Herzen auf dem Altar und fühle die Schwere der Entscheidungen, welche zu treffen waren.

Noralee, eine der stärksten Magierin unserer Zeit, Derion, der wohl selbstloseste Mensch den es jemals gab, Semira, Tochter eines Großinquisitors und kompromisslos in der Umsetzung ihrer Rache und ich, Gerald Fletcher, einer der besten Schwertkämpfer seiner Zeit.

Ich weiß nicht mehr, welche Aufzeichnungen den Lauf der Jahre überstanden haben und welche verloren gegangen sind. Deswegen werde ich an einem Punkt anfangen, der in die Geschichte als „Tag der Umwälzung“ eingegangen ist. Erzbischof Lazarus hat sich auf dem Altar seiner Kirche umgebracht, da er die Fehler seines vergangenen Tun nicht mehr vertuschen bzw. beheben konnte. Kells, besser bekannt als Maximilian I, wurde zum Südkönig gekrönt und bestieg wenige Wochen später offiziell den Thron. Leider hielt seine Herrschaft nicht lange und nach zwei Jahren verschwand er auf mysteriöse Weise. Aber immerhin ließ er den Nordkönig frei, welcher sich sofort in sein Reich aufmachen wollte, um sich der Bedrohung durch den Rabenprinzen entgegenzustellen. Leider zu spät, denn Stadt und Burg Winterfell wurden überrannt, seine Bewohner ermordet oder verschleppt und kein Stein auf dem anderen gelassen. Meister Lorenz wurde als Mahnzeichen an ein Kreuz geschlagen und die Königin entführt. Als einziger hatte Beckerich das Massaker überlebt, mehr tot als Lebendig. Trotzdem wuchs diese anfängliche Nervensäge durch diese Katastrophe zum Mann heran, welcher sich erst um die Versorgung der Opfer kümmerte, später zum Begründer des neuen Nordreiches wurde und diesem als Berater bis zu seinem Tode vor ein paar Jahren treu zur Seite stand. Meister Lorenz wäre stolz auf ihn gewesen. Ihm war es auch zu verdanken, das wir jetzt wussten, wie der Rattenkönig zu vernichten war. Aber dieses Wissen forderte von uns und anderen Entscheidungen zu treffen, die unmenschlich waren. Wir brauchten die Krone des Lebens, um das Herz der Finsternis zu vernichten. Nie werde ich das Gesicht des Pontifex vergessen, als wir ihn um die Krone des Lebens baten, die wir zur Vernichtung des Übels brauchten. Noch heute bewundere ich seinen Mut und sein Selbstopfer, zurück in die Krankheit zu fallen, die sein ganzes Leben bestimmt hatte. Er starb wenige Wochen danach als der letzte Pontifex von Raverra. Derion bekam die Krone, gab es aber sofort weiter an Noralee. Ein Fehler, wie sich später rausstellte. Dann stürmte Ruach herein. Durch ihn erfuhren wir genaueres über die Hintergründe und das Verhältnis zu seinem Bruder und Lucia. Wie sich herausstellte, war alles ein großes Missverständnis, welches zu dem großen Krieg und zu den späteren Verstrickungen führte. Das sich sein Bruder wirklich das Herz entfernt hatte, erstaunte ihn, wunderte ihm rückwirkend aber nicht. Er versprach, Lucia zu suchen und sich dann mit ihr wieder schlafen zu legen. Wir begaben uns indes in den Perlmuttturm, da wir etwas an der Leiche von Anton überprüfen wollten. Leider wurden unsere Befürchtungen bestätigt, denn auch sein Herz fehlte. Also war auch er noch am Leben und trieb sein Unwesen. Aber auf wessen Befehl? Von hier begaben wir uns in den Norden, wo wir einen alten Bekannten wieder trafen. Felix, welcher sich mittlerweile zum Führer der freien Barbaren aufgeschwungen hatte. Er schilderte uns, wo wir Karon genau finden konnten. Merkwürdig war nur, das der Ort belagert wurde und zwar von einem Teil der Armee, welche für die Vernichtung der zivilisierten Städte verantwortlich war. Dieses ließ nur einen Schluss zu. Jemand anderes kontrolliert die Armee und selbst Karon konnte ihm kein Einhalt gebieten. Anton! Anscheinend hat er es geschafft, sich gegen seinen Mentor zu behaupten. Unsere Befürchtungen wurden einige Zeit später bestätigt. Anton, jetzt im Körper Ignacios, führte diese gewaltige (und das war noch untertrieben) Armee aus Untoten und Barbaren an. Wir schafften es durch den Verteidigungsgürtel und befanden uns in einer anderen Welt. Alles wirkte zivilisiert, weiter fortgeschritten und gewaltig. Leider war der Herrscher Karon, welcher aber einen guten Teil seiner Arroganz eingebüsst hatte. Ist schon dumm, wenn plötzlich der treue Hund dem Herrn Befehle geben kann. Vielleicht hätte er sein Herz wohl doch besser verstecken sollen, denn nun kontrollierte Anton alles. Zwei Möglichkeiten hatten wir: 1. Wir vernichten das Herz Antons und Karon holt sich vom toten Anton den Kontrollstein für die Untoten, welcher von ihm damals aus der Krone gebrochen wurde. 2. Wir vernichten Karons Herz, welches mit Anton verbunden und auch den Untoten Leben gab. Der Nachteil dabei war, dass auch Derion und Ruach sterben müssten, da beide von Karon wieder ins Leben zurückgeholt wurden. Mit gemischten Gefühlen und keiner klaren Absprache machten wir uns auf in das Versteck der Herzen. Wie wir endgültig dort hin und durch die zahllosen Fallen und Wächter gekommen sind, kann irgendwie nicht mehr beantworten. Nur soviel, es war fantastisch und grausam zu gleich. Da standen wir nun, das Pochen der Herzen in unseren Ohren und die Vision von dem riesigen Heer des Todes, wie es auf die vereinten Kräfte der Menschheit hereinbricht in unseren Gedanken. Jetzt mussten wir uns entscheiden, was schwerer wwog: Der Tod einiger wenige für das Wohl der Allgemeinheit oder der Tod sehr vieler, um einige wenige am Leben zu halten. Ich erwähnte vorher schon die tragische Konstellation, als Noralee die Krone an sich nahm. Sie wollte, wie ich es auch erwartet hatte, nur Antons Herz vernichten. Dadurch sollten die Zauberer endlich den Platz einnehmen, welcher ihnen nach ihrer Meinung zustand. Derion hatte sich entschieden, Karons Leben und somit auch seinem ein Ende zu bereiten. Er sah das große Ganze und hatte genug von dem sinnlosen Morden. Ähnlich sah es wohl auch Semira, wobei sie immer noch den Schuldigen für den Tod ihrer Familie richten wollte. Ob nun Anton oder doch wohl eher Karon letztendlich schuld war, interessierte sie nicht. Der eine konnte ohne den anderen nicht mehr existieren und außerdem wurden so auch sofort die Untoten gestoppt. Dieses war auch meine Meinung und nun stand ich vor der Wahl, Noralee kurz und schmerzlos zu töten, bevor sie reagieren konnte oder abzuwarten und den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, die Krone ohne Blutvergießen an mich zu nehmen. Ich musste nicht lange warten. Derion sprang auf Noralee zu. Semira versuchte gleichzeitig, sie mit einem Dolchknauf nieder zuschlagen. Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf Semira. Ich weiss nicht, wieso, aber ich wollte nicht, das zwischen uns Blut fliesst. Dafür haben wir alle zu viel erlebt und durchgemacht. Ich blockte Semiras Schlag. Die Krone entglitt Noralee und ich nahm sie auf. Semira, blind vor Wut, versuchte mich anzugreifen, stoppte aber kurz vor der Spitze der Engelsklinge. Noralee rappelte sich gerade auf, Derion wurde zur Seite geschleudert. Nun lag es an mir, den letzten Weg zu gehen, der den Tod eines geliebten und hochgeachteten Menschen bedeutete. Semira immer im Auge behaltend ging ich zum Altar. Ich glaube, das Noralee bis zum Schluss gehofft hatte, das ich ihrem Wunsch entsprach. Ich gebe zu, ich spielte wirklich mit dem Gedanken, nur Anton zu vernichten, aber was danach folgen würde, wäre die Opfer nicht wert gewesen und nur eine andere Art der Unterdrückung. Ich wollte ihr nie wehtun, aber mir blieb keine andere Wahl. Es musste Enden! JETZT! Die Krone senkte sich auf den Altar nieder und mit dem Blick auf Derion kam ein leises „tut mir leid“ über meine Lippen. Da traf die Krone auf die Herzen.

Ich weiss nicht mehr, wie es genau endete. Noralee schrie auf und stürmte zum Altar, um die Krone zu erreichen. Semira und Derion blieben bewegungslos. Der Altar füllte sich mit Blut was aus den Herzen rann, bis dieser bis zum Rand gefüllt war. Noralees Versuch, die Krone zurück zu holen, misslang und ihre Finger waren blutig. Plötzlich brach es aus. Eine Welle der Magie. Auch für nicht magisch begabte war diese zu spüren, wie damals in der Mauer. Nur stärker und verzehrender. Als alles vorbei war, blieb nichts übernatürliches mehr zurück. Die Magie war verschwunden.

Mit einem Lächeln auf den Lippen brach Derions Blick und er sackte auf den Boden. Semira ging zu ihm und nahm ihm in die Arme. Noralee setzte sich hin. Ich tat es ihr gleich, ohne etwas zu sagen. Keiner sprach, jeder war für sich.

Noralee war die erste, die aufstand, sich zu den zu Stein erstarrten Wächtern begab, ihnen über das Fell bzw. Federkleid strich und aus dem Tempel ging. Irgendwie wusste ich, das ich sie nie mehr lebendig sehen würde. Semira lag immer noch bei Derion. Ohne einen wirklichen Gedanken ging ich zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie wollte nicht von Derion weichen. Anscheinend hatte sie sich keine Gedanken gemacht, was nach der Erfüllung ihrer Rache passieren würde. Ich ging raus, wollte für ein ordentliches Grab sorgen. Da lag Noralee, blutüberströmt. Sie konnte den Verlust ihrer Gabe nicht überwinden. Ich fühlte mich traurig, aber respektierte ihre Entscheidung, so wie ich meine bis heute nicht bereut habe. Ich hob zwei Gräber aus, später half mir Semira noch. Als wir fertig waren ging Semira einfach Richtung Norden. Bevor ich ihr folgte, zog ich die Engelsklinge und rammte sie zwischen die Gräber. Nie wieder wollte ich ein Schwert in die Hand nehmen, außer zur Selbstverteidigung und keinem Herrscher in irgendeinen Krieg folgen. Am nächsten Tag hörte ich auf, Semira zu folgen. Ich machte kehrt und begab mich Richtung Süden. Ich sagte ihr noch, wo sie mich finden könnte, wenn sie zurück kehren sollte. Es war das letzte Mal, das wir uns sahen. An der Mauer waren die letzten Überbleibsel der Schlacht noch zu erkennen, aber so langsam aber sicher holte sich die Natur das Land zurück. Heute ist von dem einstigen Bollwerk nicht mehr viel übrig und es ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Jahre und auch die einsetzende Völkerwanderung gaben ihr den Rest. Ich begab mich nach Süden, um mit Kells zu reden und ihm das Ende der Geschichte zu berichten. Passender Weise war auch gerade Clements zu gegen. Hier erfuhr ich, das der Nordkönig gefallen, der Pontifex verstorben und der Kirchstaat sich auflöste. Nachdem ich geendet hatte, begab sich Clements Richtung Norden um Semira zu suchen. Ich sah ihn nur einmal wieder. Er berichtete mir, dass die Gräber im Norden gepflegte würden. Zwar sagte er mir nie, wer das tat, wusste aber weitere Einzelheiten jenes Tages. Ich suchte nach Lydia, meiner großen Liebe, welche mit mir erst zusammen sein wollte, wenn ich kein Schwert mehr in die Hand nehme. Da ich diese Bedingung nun erfüllte, verließen wir den Süden und begaben uns zum Hof meiner Eltern. Sie half mir, die Farm wieder aufzubauen, gab mir Kraft und Trost, das Erlebte zu verarbeiten und schenkte mir drei wunderschöne Kinder. Es begannen die schönsten und friedlichsten Jahre meines Lebens, auch wenn die Welt um mich herum sich drastisch veränderte. Das Nordreich erholte sich nicht wirklich vom Untergang Winterfells, aber dank Beckerich konnte sich das Kernland halten. Schlimmer traf es das Südreich, besonders nachdem Kells verschwunden war. Das Reich zerfiel im Krieg der Erben und nun gibt es viele einzelne Herzog- und Fürstentümer, die aber nie mehr die damalige Bedeutung des Königreiches erhalten haben. Raverra, erschüttert durch den Wegfall der Mauer, den plötzlichen Tod aller oberen Kirchenhäupter und des Verschwinden des Einen fiel in eine tiefe Krise. Dank einiger klugen und mutigen Köpfe zerfiel es nicht, sondern wandelte sich zu einer der wichtigsten Handelsmetropole. Der Glaube an den Einen hielt sich zwar noch eine Zeit lang, wurde aber mehr und mehr von anderen Ansichten und Glaubensrichtungen verdrängt. Heute weiß glaube ich keiner mehr, wofür wir damals gekämpft haben. Der Krieg in Übersee wurde beendet, da es keinen Glauben mehr zu verbreiten gab. Dafür wurde der Handel mit dem westlichen Kontinent in Angriff genommen. Felix führte seine Barbaren Richtung Süden, wo sie sich auch hinter der Mauer ansiedelten und auch noch bis heute friedlich leben. Warum ich das alles jetzt niederschreibe? Ganz einfach, meine Zeit neigt sich dem Ende zu und die Generationen nach mir sollen aus erster Hand erfahren, wie die Welt mit Magie war und welche Opfer gebracht wurden, um das Leben zu erhalten.

Meine Kräfte schwinden, meine Augen werden schwer. Langsam falle ich in die Dunkelheit. Ich bereue nichts und bin froh um die friedlichen Jahre meines Lebens. Ich höre das Schlagen meines Herzens. Bum bum, bum bum. Eine Gestalt kommt aus der Dunkelheit auf mich zu. Sie trägt einen dunklen Umhang. Sie kommt auf mich zu und reicht mir die Hand. Mein Herzschlag wird langsamer. Ich höre eine bekannte männliche Stimme in meinen Kopf „Komm mit mir, die anderen erwarten dich schon“. Ich nehme seine Hand ohne Angst. Mein Herzschlag ist kaum noch hörbar. Ich sehe in sein Gesicht. Ein Lächeln umspielt seinen Mund und ich blicke in gütige Augen. Derion. Mein Herz bleibt stumm.

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